131 9. Zusammenfassung und SchluBbemerkungen Seit der Entwicklung der kontrastiven Linguistik zu einer selbstândigen Teildisziplin der Sprachwissenschaft werden die Sprachsysteme unter verschieden Zielsetzungen auf alien ihren Ebenen systematisch und synchronisch verglichen, wobei in bestimmten Bereichen für das Sprachpaar Deutsch/Türkisch immer noch Liicken festzustellen sind. İm Laufe der Zeit wurde dabei versucht, die Methoden der Linguistik und die Ergebnisse der linguistischen Untersuchungen, bes. im lexikographischen Bereich, audi für den Fremdsprachenunterricht anzuwenden. Für das Sprachpaar Deutsch/Türkisch werden die kontrastiven Arbeiten seit Anfang der 70er Jahren durchgeführt. In den letzten Jahren haben diese Arbeiten an bestimmten Universitâten in der Türkei in den Germanistik- und Deuschdidaktik-Abteilungen zugenommen. Als wichtigste Beschreibungsversuche zum Teilsystem beider Sprachen sind zu nennen: Kristinus (1965); Selen (1970); Cimilli/Liebe -Harkort (1980); Ülkü (1980); Tekinay (1987 ); Özil (1990). Die intensive Beschâftigung mit den grammatischen Fachausdrücken in beiden Sprachen eröffnete mir neue Perspektiven. Die türkischen Entsprechungen der grammatischen (Grund-)Begriffe des Deutschen in Grammatiken und Worterbiichern sowie in Lexika der grammatischen bzw. sprachwissenschaftlichen Fachausdrücke bot sich als Arbeitsthema an. Es wurden die 210 grundlegenden grammatischen Fachausdrücke des Deutschen und ihre Wiedergabe im Türkischen nach Teilgebieten und sachlich systematischen Zusammenhângen aufgelistet.wobei die deutschen Grammatiken im Türkischen und das deutsch-türkische Worterbuch von Steuerwald sowie sprachwissenschaftliche Lexika im Türkischen zugrundegelegt wurden. Bei der Untersuchung stellte ich test, daB bei der Wiedergabe der132 grammatischen Fachtermini vom Deutschen ins Tiirkische eine sehr groBe Uneinigkeit herrscht. Fast jeder Wissenschaftler verwendet seine eigene Terminologie. İm Laufe der Arbeit gelang es mir, âhnliche Tendenzen audi in den türkischen Grammatiken festzustellen. Von der Forderung ausgehend, d a 8 eine Grammatik die Aufgabe erfiillen sollte, das System einer bestimmten Sprache möglichst wiederspruchsfrei zu beschreiben, setzt sich die Grammatik das Ziel, die Lernenden zu befâhigen, die grammatischen Begriffe durch Operationen zu gewinnen und in der Anwendung immer wieder nachzupmfen. Unterschiedliche theoretische Ansâtze in der modernen Sprachwissenschaft haben eine Vielfalt grammatischer Begrifflichkeit entstehen lassen, die hâufig in den Lehr- und wissenschaftlichen Werken vorkommen. Bei der Auswahl der Lehrwerke für den Fremdsprachenunterricht sind diese Entwicklungen zu berüchsichtigen. Aus bildungspolitischen und wirtschaftlichen Gründen schien eine Vereinheitlichung der Entsprechungen der grammatischen Fachausdriicke des Deutschen im Türkischen für nötig. Auf der anderen Seite wurde auch im Türkischen mit den unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansâtzen eine terminologische Vielfalt geschaffen, die letzlich auch im wissenschaftlichen Bereich nicht nur zu Auseinanderentwicklungen und Auseinandersetzungen, sondern auch zu MiGverstandnissen und in Extremfallen sogar zur Unmöglichkeit der Verstândigung geführt hat. Angesichts der zunehmenden Unklarheit und Uneinigkeit der Entsprechungen der grammatischen (Grund-)Begriffe des Deutschen im Türkischen hatte ich Interesse an diesem Thema, da ich einen kleinen Beitrag zu den Terminologiearbeiten leisten wollte.133 Zweisprachige Worterbiicher helfen vor allem, eine Fremdsprache zu verstehen. Davon ausgehend wurde das deutsch-türkische Worterbuch von Steuerwald im Hinblick auf die grammatische Termini des Deutschen und ihre Entsprechungen im Türkischen thematisiert. Die Ergebnisse dieser Arbeit deuten darauf hin, daB bei Steuerwald viele alte, nicht mehr gebrâuchliche Worter als Wiedergabe der grammatischen Begriffe des Deutschen im Türkischen aufgeführt sind, welche neue Sprechergenerationen nicht mehr verstehen können. Ein Beispiel aus dieser Arbeit dazu : `neut r al ` nötûr, lâzım; zem veya methi mutazammın olmayan (Steuerwald S. 400). Der festgestellte Mangel des Worterbuches Deutsch/Türkisch lâBt sich die Forderung aufstellen, daB ein neues deutsch-türkisches Worterbuch geschrieben werden sollte. Die kontrastive Analyse der grammatischen Fachausdrücke vom Sprachpaar Deutsch/Türkisch ergab, daB die Einteilung und Systematisierung der grammatischen Bereiche je nach dem methodischen und theoretischen Ausgangspunkt Unterschiede zeigen. Da die erste türkische Grammatik von einem französischen Turkologen Jean Deny `Grammaire de la langue turque-dialecte osmanli` auf der Basis der westlichen Sprachen verfaBt word en ist, wurden auch Âhnlichkeiten mit dem Deutschen bei der Einteilung der Wortarten festgestellt, obwohl sie zu unterschiedlichen typologischen Sprachgruppen gehören. Nach der typologischen Klassifikation gehört Deutsch zu den flektierenden und Türkisch zu den agglutinierenden Sprachen. Bei dem flektierenden Sprachtyp werden Worter und Formen durch Formverânderungen innerhalb der Wortstamme gebildet, öder es verschmelzen die Wortstamme mit angefügten Bildungsmitteln zu einer Einheit.134 Bei dem agglutinierenden Sprachtyp werden die Beziehungen der Glieder im Satz durch Affixe hergestellt, die selbstândig nicht vorkommen. Sie treten an die unverânderlichen Stamrne. Davon ausgehend sind manche charakteristische Unterschiede der tiirkischen und deutschen Sprache anzufiihren. Die türkische Sprache drückt ihre grammatischen Beziehungen vorwiegend durch Agglutination aus, wahrend die deutsche Sprache durch die Flexion gekennzeichnet ist. Im Deutschen gibt es Formalelemente, die mehrere Funktionen haben können, und eine Funktion kann mehrfach und verschiedenartig ausgedrQckt werden. Die Verânderung des Stammes ist im Deutschen möglich. Daraus wurde deutlich, daB die Entsprechungen der grammatischen Fachtermini des Deutschen im Tiirkischen auf bestimmten Ebenen keine Einheitlichkeit zeigen. Probleme bei der Wiedergabe der grammatischen Einheiten des Deutschen im Tiirkischen gibt es, besonders in den Bereichen, in denen sich die grammatischen Strukturen der beiden Sprachen unterscheiden. Aufgrund meiner kontrastiven Untersuchung bin ich zu folgenden Ergebnissen gekommen: Alle Lehrbiicher, die ich hinsichtlich der grammatischen (Grund-)Begriffe analysiert habe, haben unterschiedliche Kriterien bei der Systematisierung zugrundegelegt. Ein Lehrbuch geht zum Beispiel vom Nomen und das andere vom Verb aus. Dieser unterschiedlichen Systematisierung folgt auch eine unterschiedliche Begriffsbestimmung. Eine bestimmte Adressatengruppe ist nicht erkennbar, d.h. es ist nicht einfach ersichtlich, für welche Gruppe dieses Buch abgefaBt worden ist. Darüber hinaus ist in alien Werken festzustellen, daB die jeweiligen135 Autoren ihre eigene Terminologie benutzt haben. Eine Vereinheitlichung bei der Namengebung ist nicht festzustellen. Womit hângt das zusammen ? Zunâchts einmal gilt es hervorzuheben, d a (3 die Termini von Wissenschaftlem nicht willkiirlich produziert werden. Bei der Namengebung spielten m.E. neue linguistische Theorie und Erkenntnisse eine Rolle, in der Türkei darüber hinaus, aber auch, bes. die Sprachgefiihle und auch Weltansichten der jeweiligen Autoren, die diese Biicher verfaBt haben. Der gleiche Terminus wurde fast von alien z.B. für einen bestimmten Begriff einheitlich verwendet, wie z.B. türk. `fin` für dt. `Verb`, türk `sıfat`, für dt. `Adjektiv`. Die gröBten Abweichungen bei der Namengebung sind bei den grammatischen Einheiten festzustellen, die in der türkischen Sprache nicht vorkommen.wie z.B. `Artikel`, `Genus`, `Prâpositionen` u.â. Bei meiner Begriffsprâgung habe ich folgende Punkte berüchsichtigt : - 1st der Terminus von vielen verwendet worden, d.h. ist er als Fachbegriff heimisch in der Sprache geworden; so wurde er als vertrauter Terminus in den meisten Fallen beibehalten wie z.B. `sifat`= Adjektiv; `fiilB= Verb; `cümle`=Satz; `yûklem`=Prâdikat u.â. - der Begriff soil vom Inhalt her assoziert werden können. Deshalb habe ich z.B. anstatt `zamir` ein türkisches Wort `adıl` und anstatt `zarf` `belirteç` eingesetzt. Die Begriffe `sıf at`=Adjektiv, `fiil`=Verb und ` cümie`=Satz wurden beibehalten. Die vorhandenen Neuschöpfungen dieser Begriffen habe ich nur als Alternative vermerkt. Es wurde cümle durch tümce, fiil durch eylem verdrânkt. Aber sie wurden noch nicht als Fachbegriff in der Sprache heimisch geworden. - ein Begriff soil nicht mehrdeutig sein. - der Terminus soil aus rein sachlichen Bedürfnissen eingesetzt und verwendet werden. Wissenschaftlichkeit als Sozialprestige soil kein Kriterium sein.136 - Es mu 6 gefragt werden, wie jemand einen grammatischen Begriff lernt, und inwiefern ihm dabei der Terminus eine Hilfe öder eine Störung ist. ich habe versucht, nicht neue Beg riff e zu schaffen, sondern im Hinblick auf eine Standardisierung der Terminologie das Geschaffene zu systematisieren. Die Begriffe sind Bestandteile der Wissenschaft, d.h. jeder, der eine Fremdsprache lernt, muB von den grammatischen (Grund-)Begriffen eine klare Vorstellung haben. Davon ausgehend lâBt sich die Forderung aufstellen, d a 3 eine einheitliche Terminologie der grammatischen Fachausdrücke und ihre Entsprechungen im Türkischen im FSU und in Lehrwerken fiir turkische Lerner eingesetzt werden sollten. Ob dies den Fremdsprachenerwerb tatsâchlich erleichtern wird, müBte dann noch empirisch überprüft werden. Neuerdings gibt es Versuche, die turkische Sprache valenztheoretisch zu bearbeiten. Neue Erkenntnisse sollen zu theoretischen Verânderungen und zum Wandel terminologischer Systeme fiihren. Dies sollte bei den nachsten Schritten bemcksichtigt werden. Im Hinblick auf die Ergebnisse dieser Arbeit lâBt sich konstatieren, daB wir bei der Namengebung der grammatischen Fachausdrücke des Deutschen nicht etwas ganz Neues geschaffen haben, sondern das bereits in der türkischen Sprache Vorhandene in dem ihr eigenen System neu geordnet haben. Dabei werden aile Möglichkeiten der Wiedergabe, wie z.B. Lehnübersetzung, Lehnprâgung zu Hilfe genommen. Das Leitmotiv war, daB die Namengebung für den Lerner leicht verstândlich und gut erlembar sein sollte.