302 C. Zusammenfassung und Stel lungnahme Schon am Anfang der Untersuchung ist featgestellt worden, da 3 es ein Spannungsfeld zwischen der Einzel person und der Gesellschaft gibt, wenn es urn die Verwirklichung der Ich- Identitat der Frau geht und da3 diese Tatsache mit der Erf Ü1 lung von Rollen und Pflichten, die geschichtlich festgelegt worden sind und sich zumeist stabilisiert haben, zusammenhangt. Solche Festlegungen auf bestimmte Aufgaben, die kein Ergebnis eines Wesens der Geschlechter sind, mussen beseitigt werden. Denn es steht fest, daB für die wirkliche Entwicklung der weiblichen Identitât die soziale Anerkennung vorausgesetzt sein mu0. An dieser Stelle kann man von Diskriminierung sprechen, die durch die Ablehnung der Frau auf Grund ihrer Eigenschaften, die sie eine Andersartigkeit gewinnen lassen, entsteht. Es ist nicht zu leugnen, daB die Frauen im Vergleich zu den Mannern fast in alien Bereichen wen i ger Chancen besitzen. In der Arbeitswelt ist es z.B. auch der Fall. Da der Arbeitsmarkt geschlechtsspezif isch verteilt ist, kann die Frau meistens nur in bestirnmten Berufsgruppen arbeiten, obwohl die Arbeit nicht nur für den303 Löbensunterhalt, eondern auch für die Serialisation der Person sehr bedeutend ist. Dabei ist es wichtig zu betonen, da 3 die gebildeten Frauen meistens bekampft worden und unbekannt geblieben sind. Denn die Meinung war vorherrschend, da@ ihnen die Familienrolle geniigen sollte. Frauen, die fast immer mit Doppel standards rechnen raiissen, haben auch sowohl bei der Berufstatigkeit als auch bei der Alltagsversorgung der Farnilie erfolgreich zu sein. Heute stellen die Frauen bestimmte AnsprUche an die Arbeit, die für ihre Entfaltung, Identitat und Anerkennung sehr wichtig ist. Obwohl die Arbeit immer noch nicht gleichmagig aufgeteilt ist und die Arbeit von Frauen immer noch oft geringer bewertet und schlechter bezahlt wird als Mannerarbeit, ist sie trotzdem nicht mehr so einseitig verteilt wie früher. Besonders irn schulischen Bereich sind sehr bedeutende Veranderungen zu beobachten. Die Frauen möchten heute die Benachteiligung, die durch die Einstufung in niedrige Leistungsklassen geschieht, nicht mehr akzeptieren. Die Entwicklung der Frauen wird durch die Vermittlung von Minderwertigkeits- und Schuldgefiihlen aufgehalten. Die304 berufstatigen Frauen werden ale `Problemgruppe`, als `Abweichler` betrachtet. Schon die Bewu&tmachung dieser Unterdrückung iet ein ereter Schritt zu ihrer Uberwindung. Nach Ute Osterkamp können aber nur einzeln© Frauen `hochkommen`. Und das geschieht auf Kösten der Beteiligung an der Unterdrückung anderer. Die Ungleichheit der Geschlechter hat in den 70er Jahren dazu gefiihrt, da3 die Feminist innen das `Sex-Gender-System` entwickelt haben. Mit `Sex` meinten si e das biologische Geschlecht und mit `Gender` das soziokulturelle. Durch dieses System beabsichtigten sie die Eigenart weiblicher Unterdrückung zu verdeut lichen. Sie waren sich im Klaren, da& das kültürelle Geschlecht über das biologische gestellt werden mu&te. Gayle Rubins Definition eines Systems gesel lschaftlicher Beziehungen, das die biologische Sexual itat in Produkte menschlicher Tatigkeiten urowandelt, ist ganz treffend. Monique Wittig und Christine Delphy betonten auch, daB das Problem eigentlich nicht in der `Differenz`, sondern in der `Herrschaft` liegt. Donna Haraway hatte dazu bemerkt, daP alle Frauen zu einer Klasse gehören, die durch hierarchische gesellschaftliche Beziehung des sexuellen Unterschiedes begrUndet wird, der305 den Mannern Ma eh t über Frauen zuspricht, und da 3 eine Feministin für die Frauen als Klasae und für die Âbschaffung dieeer Klasse kampfen mu3. Für Kornelia Hauser sind die Produktivkrafte der Geschlechter in Herrschaf tsdiskurse eingeschlossen. Diese soziale Minderwertigkeit der Frau kann nach Simone de Beauvoir nur durch die Zerstörung der mannlichen Uberlegenheit beseitigt werden. Mathilde Vaerting betrachtet dieses Problem von einer ganz anderen Position aus. Sie meint, da0 es sowieso völ lig falsch ist, da0 man Geschlechter vergleicht, die sich in einer von Grund auf ungleichen Lage befinden. Das führe auch dazu, dajî das mannliche Geschlecht mit der Vorherrschaft und das weibliche mit der Unterdrückung identif iziert wird. Man hofft natürlich, da3 jeder die Ansicht von Vaerting unterstützt und akzeptiert, da3 aile Diferenzen der Geschlechter soziologisch zu erklâren sind. Wie Karlheinz Otto mu 3 man davon ausgehen, da3 Mann und Frau in erster Linie Menschen sind, die gleiche Rechte und Pflichten haberi müssen, die auch völlig gleichwertig sind. Sie sind ja auch - wie es auch von Simone de Beauvoir erki art worden ist - nur mit Bezug aufeinander zu306 definieren. Man darf nie den Fehler raachen und die Gleichwertigkeit und die Gleichartigkeit als identisch betrachten. Helene Lang ist eine von den Wissenschaf tlerinnen, die die mit der Differenzierung zusammenhangende Arbeitsteilung akzeptiert aber eine mechanische Arbeitsteilung ablehnt. Es ist natîirlich erfreulich, da3 manche Wissenschaf tier ganz of fen sagen können, da3 die klassische Zivilisation deswegen untergegangen ist, we il sie die Frauen nicht entwickeln konnte (Morgan), und da0 der Einspruch, die Frauen hatten noch keine Genies hervorgebracht, völ lig unglaubwurdig ist. Es ist erstaunlich, da3 die bewundertesten Denker der Welt die Frauen auch als Urquell des Bösen oder als einen unentwi eke İten Mann (Aristoteles) betrachtet und den Mann als Trager der Kul tur, als Norm erki art haben. Fiir Marx und Engel s ist die Unterdrückung der Frau ein Merkmal kapital istiseher Klassenverhaltnisse. Deswegen glaubten sie auch, da0 diese Formen geschichtlich307 veranderbar sind. Nach Freud leidet das minderwertige Madchen an dem Penisneid, der Mannlichkeitskomplex, Eifersucht und Lockerung der Mutterbindung verursacht. Otto Weininger geht so weit, da3 er sagen kann, da3 der tiefstehende Mann noch unendlich hoch Liber dem höchstatehenden Weibe steht. Nach Schopenhauer verdeutlicht schon das Aussehen der weiblichen Geştalt, dap die Frau, die er auch als einen geistigen Myop definiert hatte - weder zu geistigen noch körper lichen Arbeiten geeignet ist. Er toleriert und unterstiitzt sogar die Polygamic. Nach Paul J. Möbius ist die Frau körperlich und geistig ein Mittelding zwischen Kind und Mann und ihr Instinkt macht sie tierahnlich. DaP die als `typisch weiblich` bezeichneten Besonderheiten kein Ergebnis der biologischen Eigenschaften sind verdeutlicht auch, warum solche Verhaltensweisen nicht üniverseli sondern kulturabhangig sind. Es gibt sehr viele Weiblichkeitsmuster. die öf ters auch im Gegensatz zueinander stehen können und verdeut lichen, da3 man den Frauen bestimmte Besonderheiten und soziale Aufgaben geben will. Dabei übersieht man aber, daP an den Mann auch von früh an gesellschaftliche Erwartungen herangetragen werden.308 Deswegen ward es heute öf ters betont, daP man von der einseitigen Fixierung auf Frauenfragen loskommen mu3. Sonst wird die Veranderung der Frauenrolle -ohne Veranderung der Mannerrolle - immer problematischer. Die Interessen und Lebensziele von Frauen und Mannern haben sich angenahert und sie suchen nach neuen Lebensformen, da sie die alten Roll en als Beschadigung begreifen. Also die Veranderung der Manner ist eine Voraussetzung der Befreiung der Frauen. Da die Frauen keine einheitliche Gruppe bilden kann man vielleicht nicht so leicht von einer Interessengemeinsamkeit sprechen. Man mu$ das Gegeneinander der Frauen auch beriicksichtigen, darf sich nicht in Illusionen verrennen und fiir die gemeinsamen Interessen kampf en. Die Familie, die von den feministischen Wissenschaftlerinnen meistens als Ort der Unterdrückung der Frau definiert wird, ist eigentlich bei der Entwicklung der Frau sehr wichtig. Frauen, die sich emanzipieren, sich entwickeln möchten, werden leader immer noch mit `Vermannlichung`, `überzogenen Lebensansprüchen` u.a. beschuldigt. Solche Frauen seien in der Familie fiir die309 Behinderungen der Kinder, für die Kalte in der Geaellschaft und für die Unzufriedenheit der Nur- Hausfrauen verantwortlich. Denn die gelehrten Frauen wiirden zu kranklich und nervös werden, um noch eine liebenswerte Frau und Mutter werden zu können. Somit versteht man, da8 sich die Verherrlichung der Tugenden der Frauen zu Verherrlichung der Unterdrückung wandelt. Es ist aber argerlich, dap immer noch sehr viele Frauen aelber glauben, da& Selbstentwicklung mit den Mannern in Verbindung gebracht werden muJ und geiatige Schwachheit, die sie z.B. zum Studieren unfahig macht, mit den Frauen. Die Frauen machen zusatzlich die Hintergrundarbeit, die direkt im Zusammenhang mit der Berufsarbeit des Mannes steht. Dieee Situation definiert man als `Zwei-Personen- Karriere`. Heute möchten mehr und mehr Frauen lieber Beruf und Familie verbinden. Aber auch in solchen Fallen, wo z.B. beide Partner einen qualif izierten Beruf ausiiben, bleibt die private Alltagsarbeit ein Verantwortungsbereich der Frau. Also die Manner beschaf tigen sich nur mit der Berufsarbeit und die Doppelrol le/-belastung fal It den Frauen zu.310 Die Frauenliteratur, die solche Probleme der Frauen bearbeitet, ist erst im 20. Jh. zum wissenschaftswurdigen Thema geworden. Und heute wird meistens die Frauenliteratur der siebziger und f ruhen achtziger Jahre untersucht, weil sie sehr unterschiedliche Farderungen Btellt als die der alteren Generationen. Sigrid Weigel erklart z.B. ganz of fen, daP die frühere Literatür kein Vorlaufer ist, weil z.B. die Frauenbilder, die sich in den alteren Texten bef inden, mit den emanzipierten Frauenbildern von heute nichts gemeinsames haben! Auch die Autorinnen dieser Texte hatten sich an die mannliche Tradition angepapt, um durch die mannliche Literaturkritik nicht abqual if iziert zu werden (Schowalter). Die spatere Literatür ref lektiert kritisch die iiberkoramenen Frauenbilder, die von Virginia Woo If als `frauenfeindlich` definiert worden sind und stellt die Suche nach der weiblichen Identitat dar. Sie geht davon aus, daP die romantische Ideal isierung der Frau nicht von den Problemen der wirklichen Frau spricht. Die feministische Literaturwissenschaft beabsichtigt nicht nur die Darstellung der Diskriroinierung, sondern auch die Förderung der Frau und hofft, dap sie die allgemeine Literaturwissenschaft humanisieren kann. Sie will, dap der Leser durch den Text aktiviert wird, eine neue311 Verhaltensform entwickelt und zur Diskussion gefiihrt werden kann. Die Selbsterfahrungsgruppen, die versuchen, den gesellschaftlichen Charakter individual 1 er`* Unterdriickungserfahrungen zu verdeut lichen, haben bei der Entwicklung der Frauenliteratur eine ganz bestimmte Rolle gespielt. Sie wollen. dap man in der mannerdominierten Gesellschaft fur die weibliche Interessen eintreten kann, und da& die Frauen füreinander einstehen. Denn für die Frauenliteratur ist es in erster Linie wichtig, daf$ sie die Frauen auf ibre Diskrirainierung aufmerksam macht und durch die `radikale Subjektivitat` die literarischen und sprach lichen Formen der Fremdbestimmung durch den Mann uberwinden kann. Es wird heute von manchen Li teraturkri tikem behauptet, da0 die Authentizitât solcher Werke meistens zur Fiktion wird, weil sie nur die alltaglichen Leidenserfahrungen wiedergeben und die Leser für politisches Hande In und Uberwinden des Problems nicht gewinnen können (Richteı - Schroder)312 In den letzten zwanzig Jahren hat man sich sehr bemüht, eine weibliche Ksthetik und sogar eine geschlechtsspezif ieche Sprachformung zu err e i chen. Eine Vorstellung des körper lichen Sprechens hat sich verbreitet. Bei Irigaray ist die Sprache z.B. eine Metapher ihrer Sexual itat. Dabei vergi P t sie, da3 sie die Persönlichkeit der Frau wieder biologisch bestimmt, wodurch die Frau jahrhundertelang unterdriickt worden ist. Auch Cixous meint, da3 eine Frau nicht schreibt wie ein Mann, weil sie mit dem Körper spricht. Ein weiblicher Text ist für die Stimme geschaffen, meint sie. In diesem Fall geht es aber eigentlich nicht um das Sprechen des Körpers, sondern urn das Sprechen über den Körper. Somit hat aber die Frauenliteratur die bisher tabuisierte weibliche Sexual itat vordergründig thematisiert. Weil die Wirklichkeit in den Werken von Frauen ganz genau abgebildet wird, ist diese Literatür nach Cixous eine realistische Literatür. In den siebziger Jahren ist z.B. ein feminist ischer Provinzialismus entstanden. In den literarischen Werken sind die Frauen, die im hauslichen Bereich tatig sind, thematisiert worden. Die Monoton i e des Lebens dieser Frauen ist in diesen Werken durch die313 Monotonia des Erzahlens betont worden. Im Kontext der Frauen literatür spricht Kristeva von der `Textpraxis`, die die Person Uber ihren Zustand belehrt. Dadurch denkt sie auch Uber sich selbst nach und entwickelt eine neue Beziehung zu sich selbst. Kristeva hofft, da 3 die Frau auch dadurch bei der Vernichtung der gesellschaf t lichen Normen eine wichtige Rolle spielen kann. Da sie an gesel lschaft 1 icher Macht nicht teil hat, sei sie auch von gesel lschaf t lichen Regeln und Gesetzen moral isch nicht verdorben. Dadurch besitze sie auch mehr Menschlichkeit, die sie in ihren Werken deutlich zeigt. Mit der Zeit ist der Satz `das Persönliche ist politisch` zum Ausgangspunkt der Frauenbewegung geworden und man hat angefangen autobiographische Werke zu schreiben. Damit sind die persönlichen Erfahrungen zu kol lekt iven Erfahrungen geworden. Diese Einstellung hat dann den Namen `radikale (oder -neue-) Subjektivitat` erlangt. Die Ansicht hat sich verbreitet, dap erst die Synthese dieser Erfahrungen zu einem umfassenden Emanzipationsbegrif f fiihren kann. Unter Erfahrungen versteht man hier intergeschlechtliche Beziehungen, psychische und körperliche Probleme, Identitatssuche, die Probleme der Bewaltigung des314 weiblichen Alltags u.a., die beschrieben warden. Diese Beschreibung wird faBt wie eine Therapie begriffen. Diese Literatür hat auch eine neue Form der Kommunikation hergestellt, was eines der wichtigsten Zielen der Frauenbewegung ist. Manche behaupten aber, daP diese Art zu schreiben die Frauenliteratur von der politischen Auseinandersetzung entfernt hat. Obwohl die asthetischen Kriterien am Anfang nicht an der ersten Stelle standen, zeigten diese Werke die schöpferische Kraft der Frauen trotzdem. Natürlich mu0 man den Unterschied zwischen Schreiben und Literatür nicht auPer Acht lassen. Diese Selbsterfahrungstexte sind aber mit der Zeit geringer geworden und viele von ihnen sind als `Gebrauchstexte`, die fiir die Literaturkritiker uninteressant sind, klassif iziert worden. Man hat sie auch der Mannerfeindl ichkeit beschuldigt. Sie sind auch als `Leidenstexte` definiert und kritisiert worden. Besonders weil sie meistens das Leiden der schwachen und asozialen Frau betont haben (Cixous). Nach Schowalter gibt es zwei Arten von Text en: `social camel ion`, in denen sich die Frauen den Anforderungen der Gesellschaft anpassen und `special female self-awareness`.315 wo die Frauen den gesellschaf t lichen Anforderungen gegenüber sensibler sind/werden. Die Frauenliteratur verwendet moistens die Gattung Prosa und ihre Sprachform pa&t zu den Normen der Gesel lschaftssprache. Sie pa3t sich auch den allgemeinen Regeln der Literatür an und unterscheidet sich von der traditionellen Literatür besonders durch ihre weibliche Erzahlperspektive. In den letzten Jahren hat sie auch manche phantastischen, marchenhaften, utopischen Elemente sowie mytische Figuren der Ant ike auf genommen. Abschlie3end möchte ich die Ergebnisse der Bearbeitung der Werke zusammenf assen. Ich habe versucht zu untersuchen, wie sich die Schriftstel lerinnen der Gegenwart mit Themen des Feminismus auseinandergesetzt haben. Beide Werke entstammen der Tradition der weiblichen Tagebuchkultur und sind Semiautobiographien. Diese Verbindung ist nachweisbar. Die Autorinnen nehmen auf literarische Traditionen Bezug und versuchen nicht ihre originare weibliche Schreibweise zu erf inden. Sie arbeiten mit vorgegebenen literarischen Mustern und Formen. Ich habe festgestel It, dap sich aus den Ku&erungen zu einer Theorie weiblicher Ssthetik noch keine316 in s i eh geschlossene textanalytische Methode heri e i ten lS0t. Deswegen bin ich der Meinung, d«3 die Âuffassung, man könne am Text selbst feststellen, ob er von einer Prau geschrieben ist, nicht völlig akzeptierbar ist. Die Werke, die ich untersucht habe, stellen aber in e i nem neuen, experimentellen Umgang mit Formen autobiographisehen Schreibens die Probleme weiblicher Persönl ichkeiten aus der authentisehen Perspektive der Frauen dar. Aber ihre inhal t lichen Schwerpunkte sind bedeutender. Trotzdem hat die autobiographische Schreibweise auch in diesen Werken gezeigt, da0 die ganz normale, einfache Lebensgeschichte für die Literatür bedeutsam ist und die Gegenstande der Literatür nicht mehr die grofîen Persönl ichkeiten und auserordent lichen Erlebnisse sind. Die Schriftstel lerinnen dieser Werke haben nicht versucht, mit ihren Texten einen Beitrag zu einer neuen, spezifisch weiblichen Sprache zu leisten. Man merkt, dap es ihnen zunachst um die Darstellung ferainistischer Inhalte geht. Die enge Verbindung von Person und Werk verursacht nur bei der Verwendung traditionel 1-literarischer Begriffe wis z.B. `Erzahlerin` öder `Geştalt` Probleme. Denn si e317 signal isieren eine Fiktionalitat, die in diesen Werken hinter dem Autobiographischen verborgen bleibt. Um diese Verwirrung zu beseitigen hat man aber bis heute keine neue Begriffe eingefiihrt. Die Werke zeigen beide eine spezifische Parteilichkeit für die Identitatsf indung des weiblichen Ichs, für die Verwirklichung dee eigenen, selbstbestimmten Ichs. In be i den Werken merkt man, da 3 die Erzahlerinnen unter Leidensdruck zur Feder gegriffen haben. Sie fühlen sich von ihrer sozialen IdentitHt unterdrückt, die sich durch die Gewohnheiten, Denkweisen und Vorurteile immer bemerkbar macht und mit der Natur der Geschlechter nichts zu tun hat! Deswegen versuchen sie auch ihr soziales Umfeld zu verandern und dadurch ihre Ich-Identitat zu erweitern. Sie- die Hauptf iguren- haben beide Probleme und sind mit ihrer Situation unzufrieden und der entscheidende Konflikt spielt sich in der Partnerbeziehung ab. Sie möchten nicht als das andere Geschlecht, das für den Mann da ist, gewertet werden. Denn solange sie für die Personlichkeit der anderen (Ehemânner-Kinder) kampfen, werden und bleiben sie unglücklich. Sie versuchen es verstandlich zu machen, da 3 Manner und Frauen Menschen sind, die die gleichen318 psychischen Eigenschaften und Rechte, dabei auch die gleichen Pflichte zu erfiillen haben. Die Frauen im Roman beschraiben und reflektieren ihr Familienleben und ihre Arbeitawelt. Dabei wird ihre Ablehnung, ihre Distanz und ihre Unzufriedenheit deutlicher. Sie haben Konflikte erlebt, die sie immer noch nicht ganz bewaltigt haben. Trotzdem kann man sagen, dap sie Selbsterkenntnis gewonnen und ihre alte passive Rolle hinter sich gelassen haben. Man beobachtet auch, da0 durch die Erzahlweise zwischen den Frauen, die ahnliche Erfahrungen gemacht haben, ein Kontakt entsteht, was auch mit den Zielen mancher Frauengruppen zusammenhangt. Also `Literatür nicht als Kunst zu schreiben, sondern als Kommunikation, damit eine Volkskunst daraus entsteht`. (Frei 1978: S. 37) Ihre Auseinandersetzung mit dem traditionell weiblichen Geschlechtsrollenverhalten ist deutlich. In manchen Punkten versuchen sie beide davon abzuweichen. Dabei erleben sie manche Entwicklungen oder Veranderungen ihres Verhaltens. Bei diesen Veranderungen spielen die Nebenfiguren - also die El tern, Verwandten, Ehemanner, Kinder und sogar Freunde319 - eine ganz bestimmte Roll©. Diese Werke zeigen auch, wie die Manner auf die weiblichen Forderungen nach Selbstverwirklichung, nach Veranderung der Beziehungen reagieren. Dabei wird die Verwirrung des Mannes geschildert. Weil man hier nach einem positiveren, mann lichen Rol lenvorbi Id sucht, kann man solche Werke auch ala `Manner literatür` bezeichnen. Obwohl man heute die Veranderung der Manner a İs Voraussetzung der Befreiung der Frauen betrachtet, kann man in keinen dieser Werke eine Veranderung der mannlichen Gestalten beobachten! Sie weichen von ihren eigenen Interessen und Verhalten nicht ab. Das Thema `Frau und Beruf` ist besonders auf fal lig. Die Heldinnen lehnen die für sie vorgesehene Rolle ab und suchen eine bessere Alternative. Sie versuchen beide Tatigkeiten auszuüben, die zumeist von Mannern ausgeiibt werden. Aber die He İdin des Romans `Die Preisvergabe` erreicht nicht die Möglichkeit in einem gewerbstechnischen Beruf ausgebildet zu werden, weil man denkt, da& die Frauen keinen Beitrag zur Existenzsicherung leisten miissen und können. Die Frau ist für Haushalt und Familie da. Dabei320 möchte i eh auch bemerken, daP be ide Werke - und besonders `die Preisvergabe` - auah manehe frauenfeindlichen Frauenbilder darstellen, die die weibliche Schwa ehe und Passivitat betonen. Die Heldinnen sind Menschen, die sich fur die realen Ereignisse und Beschaf fenheiten ihrer Umwelt interessieren. Aber sie leiden trotzdern an der Langeweile des All tags. Die taglichen Ablaufe werden deswegen detail liert dargestellt. Der feministische Provinzialismus zeigt sich bei der Darstellung der Tatigkeiten der Frauen im hauslichen Bereich. Die Folgen, die sich aus der primaren Zuweisung d i eser Frauen zur Hausarbeit able i ten lessen, sind unterschiedlich. Die Tagebuchschreiberin (Eis auf der Elbe) erlebt öf ters eine Beschrankung ihres Daseins auf die familiale Binnenexistenz und versucht sie mit ihrem Berufsleben zu harmoni s i eren. Nuray îlkin (Die Preisvergabe) erlebt dagegen bewuPten Verzicht auf Familie, der sie aber auch nicht glücklich ma eh t. Sie verhalten sich nicht passiv und unternehmen einiges, um ihre unbefriedigende Lebenssituation zu verandern. Aber an ihrer Unzufriedenheit andert sich fast nichts. Denn sie erkennen nicht, dap auch sie an Herrschaftsstrukturen beteiligt und321 dadurch auch für ihre Situation in der Gesellschaft verantwort 1 i ch sind. Das ist natürlich enttauschend. Deswegen sind sis melancholisch, entmutigt und lustlos. Das elterliche Vorbild ist ein sehr wichtiger Faktör bei der Aneignung der Geschlechterrol le. Denn die Menschen erlernen ihre Geschlechterrol len meistens durch Nachahmung und Identifikation mit den El tern. Deswegen möchte ich auch kurz darstellen, welche Vorbilder die Personen dieser Werke abgeben, und ob sie von der traditionellen Rol lenvertei lung abweichen oder nicht? Die traditionelle familial© Funktionsaufteilung des Patriarchats kommt in beiden Werken vor. Die Manner/Vater denken, da& sie für den Unterhalt der F ami lie sorgen miissen, indem die Frauen für Famiiie und Haushalt zustandig sein sol len. Die an sie herangetragenen Rollenerwartungen und erzieherischen Ma&nahmen wirken auf die Frauen aber eher negativ. Sie können diese Erwartungen nicht kritiklos akzeptieren und verhalten sich eher mi3trauisch und distanziert. Dabei spiel t natürlich das gestörte Verhaltnis zwischen den Familienmitgliedern, die unter Kommunikations- und Beziehungslosigkeit leiden, auch eine322 eminent wichtige Rolle. Früher wurde das Thema `Liebe` von den Schriftstel lerinnen oft behandelt. Heute aber bearbeiten sie die Kehrseiten der Tıiebe. And^rg^rl^^drie^ST^iriftst^^eir^nn&n der 50er und- &G Jahre beschaftigen sie sich heute mit der Abwesenheit der Liebe. Anstatt die Liebesgeschichten darzustel len, erzahlen aie von Trennungs- oder Beziehungsgeschichten, die mit der Liebe wenig zu tun haben. Sexual itat kommt öf ter als früher vor. Natürlich gab es Werke von Frauen, die schon vor der Frauenliteratur indirekt die Kehrseiten der Liebe und Ehe kritisierten. Aber heute wird die Unstimmigkeit zwischen weiblichen und mannlichen Vernal tensweisen viel mehr verdeutlicht. Dabei kommen Liebesbegehren und Autonomiestreben nebeneinander vor. Einerseits werden die herrschenden Liebesverhaltnisse kritisiert und andererseits wird auf die Suche nach der Liebe nicht verzichtet. Dies ist auch bei diesen Werken der Fall. Die Beziehung Muttei - Tochter scheint gut zu sein. Die Töchter haben eine besonders starke gefuhlsma0ige Bindung an ihre Mutter. Denn diese Beziehung bietet ihnen Geborgenheit, Einfühlung und Anteilnahme.323 Die Heldinnen teilen sich anderen Menschen sehr wenig mit. Me ist ens bleiben ihre Gedanken und Gefiihle ungesagt. Vieles wird also nur gedacht und nicht ausgesprochen, obwohl e ine Kommunika t i onss i tua t i on für die Lösung der Probleme viel bedeutender ware. Diese Beziehungslosigkeit und Gesprachsarmut verursacht def ekte Verhaltnisse. Beide Werke können ala Darstellungen eines krisenhaften Ausschnitts eines weiblichen Lebenslaufs verstanden werden. Diese Bücher können auch als Dokumente der Vielbelastung von Frauen verstanden werden. Die Doppelbelastung (Beruf - Familie) macht es den Frauen schwer, zu ihrer Identitat zu finden. Die weibliche Sozialisation und die traditionell weibliche Rolle werden aufgezeigt und kritisch hinterfragt. Beide Romans sind Uberwiegend als emanzipatorische Text© einzustufen. Sie können natürlich Impulse zum Nachdenken über Frauenprobleme geben und dadurch zum Aufbauen emanzipatorischen Bewu3tseins beitragen.