Abstract
ZUSAMMENFASSUNG Als Dichter gehört Theodor Storm zu der literarischen Epoche des bürgerlichen Realismus im 19. Jh.. Storms dichterisches Schaff en steht eng zu seinem Leben und zu seiner Heimat Schleswig-Holstein. Die persönlichen Ereignisse, die in seinem dichterischen Schaffen dargestellt werden, reichen bis in die Kindheitscjahre zurück. Er beschaftigte sich sehr früh mit der Literatür und lernte wahrend der Gymnasialzeit die grofien Dichter wie Goethe, Schiller, Uhland und Heine kennen. Die Be- kanntschaft mit Ferdinand Rose, Theodor Mommsen und Eichendorff ermoglichte ihm eine weite Sicht in der Literatür. Besonders Eichendorff s Gedichte haben auf ihn einen besonderen Eindruck gemacht. Storm hat eine groBe Vorliebe für die Lyrik. Er schrieb bis 1865 vor allem Gedichte, Seine Lyrik war an erster St elle Er- lebnislyrik. Die nordische Landschaft spielt in seinen Dichtung- en eine besondere Rolle. Daneben werden Themen wie Liebe, Tod, Sehnsucht und Erinnerung von dem Dichter sehr oft behandelt. Theodor Storm wurde vor allem als Novellendi enter berühmt. Die Erfordernisse der Novelle lagen mit seinen ?orstellungen von einem Kunstwerk auf gleicher Linie wie die der Lyrik. Weil er eine Vorliebe für die Lyrik hatte, wiirde seine frühere Novellistik stark von seiner Lyrik beeinfluBt. Seine bekannteste Novelle84- `Immensee` gilt als Musterbeispiel fur die lyrische Novelle. Storm sagte selbst, daB seine Novellistik aus seiner Lyrik entstanden ist. Doch muBte er spater zugeben, daB seine Novellistik seine Lyrik vollkommen verschluckt hat. Als Dich- ter vollendete sich Storm aber erst in seinem Alter. So ent- stand auch sein Meisterwerk MDer Schimmelreiter` erst in seinen letzten Lebensjahren. Genau sowie seine Lyrik ist auch seine Novellistik durch ein tiefes Naturerlebnis bestimmt. Storm kampfte mit seiner Dichtung für seine Heimat und unterstützte die Yolksbewegung, die fur die Freiheit von Schleswig-Holstein kâmpfte. Storm schrieb auch mârchenhafte Erzâhlungen. Damit s t elite er die romantische Gattung des Mârchens wieder in den Mittelpunkt. Seine politische Haltung veranlaBte ihn, auch historische St off e in seine Werke aufzunehmen. Storm lehnte das Ohristentum ab. Wir erkennen in seinen Novellen romantische und biedermeierliche Einflüsse. In der Entwicklung der Novellistik Storms stellt man eine lyri- sche, eine mehr epische und eine dramatische Periode fest. Die lyrische Periode gebinnt 1836 und endet 1865- Die Novellen, die in dieser Zeit entstanden sind, werden als Situations s tücke und Stimmungsbilder bezeichnet. Meistens wird nur eine einzige Situation dargestellt. Es gibt keine durchgehende Handlung. Enttâuschung und das Scheitern in der Welt bilden den Grundton dieser Novellen. Die Menschen sind passiv und haben wenig Wider- standskraft. Die Erzâhlungen sind sehr kurz gefaBt und enthalten85 gelegentlich kurze Gedichte. Meistens begegnet uns das Thema der unerfüllt gebliebenen Liebe. Die Figuren in seinen Erzah- lungen werden nicht konkret beschrieben. Die Probleme werden nur andeutungsweise dargestellt und die Analyse wird dem Leser überlassen. Er benützt sanfte Ausdrücke und gestaltet das zentra- le Thema lautlos. in der mittleren Periode, die von 1865 bis1876 geht, verstummt der Lyriker Storm und der Erzahler Storm kommt mehr und mehr zum Vorschein. Die `Zustandsschilderungen` und `Stimmungsbilder` treten zu Gunsten der novellistischen Problematik zurück. Der szenische Aufbau gewinnt immer mehr an Bedeutung. Er schreibt bürgerliche Gesellschaftsnovellen. Die Personen sind jetzt nicht mehr so passiv wie in der ersten Periode. Sie haben jetzt Mut gegen ihr Schicksal zu kâmpfen. Die Bewufitheit für die Vergang- lichkeit der Zeit wachst stândig. Storms literarischer Blick wird realistischer. Als Erzahler distanziert er sich von dem er zahit en Geschehen. Wir erkennen e ine immer gröBer werdende Objektivitât in der dichterischen Darstellung des Autors. Ein Handlungsfaden verbindet jetzt die einzelnen Situationen. Die Resignation und Melancholie machen sich immer noch bemerkbar. in der Spatphase, die von 1875 bis zu seinem Lebensende geht, erreicht das dramatische Element seinen höchsten Wirkungsgrad. In dieser Periode entwickelt sich Storm zum Meister der Konflikt- und Problemnovelle. Die Novellen werden umfangreicher. Es ent- stehen viele historische Novellen. in ihrem Kampf gegen ihr Schicksal setzen die Figuren ihre ganze Existenz auf das Spiel. Die psychologischen Probleme gewinnen eine grofîe Bedeutung.86 Das Gefühlhafte tritt zurück. Das HaLBliche und Grausame ist jetzt ein fester Bestandteil seiner Erzahlungen, Die Wirklich- keit wirdobjektiv dargestellt. Der Aberglaube nimmt eine be- sondere Stellung ein. Der Mensch erscheint mit seinem ethischen Handeln als Vorbild. Aus diesem Grunde haben die Novellen der Spâtphase einen erzieherischen Charakter. Die im dritten Kapitel untersuchten Novellen Theodor Storms sind alle Erinnerungsnovellen. Er macht viel von der Tecnnik der Rahmenerzâhlung Gebrauch. In den Rahmenerzâhlungen benützt er oft die Ruckwendetechnik. Um den Handlungsverlauf dem Leser verstandlicher zu machen, werden Ereignisse des Kommenden schon vorher mitgeteilt(Vorausdeutung). Wahrend manche Handlungen mit Zeit- Oder Ortsangaben beginnen, sind bei anderen keine festzu- stellen. Die Namen der handelnden Figuren werden nicht am Anfang, sondern erst im Verlauf der Erzâhlung, meistens in Dialogen dem Leser bekannt gemacht. Es gibt in den Erzahlungen keine durch- gehende Handlung, meistens wird nur eine einzige Situation be- schrieben. In den Novellen, wo mehrere Situationen dargestellt werden, sind Unterbrechungen des Erzahl verlauf s und Neuansâtze festzustellen. In alien Novellen wird die erzShlte Zeit durch die Erzâhlzeit verkürzt. In alien Novellen gibt es sehr reiche Naturschilderungen. Das Meer spielt dabei eine wichtige Rolle. Der Schauplatz der Handlungen sind meistens groBe Garten und Landhauser. Durch die übertragung der Erinnerungen der Helden in die Er-Form will der Dichter offenbar eine gewisse Brweiterung erreichen, die87 die Teilnahme des Lesers möglich macht. Das Geschehen wird selten direkt, meistens mittelbar duroh symbolische Vorgange gegeben. Als Symbole kommen meistens Farben vor. Am hâufigsten be- nützt er die Farben Weis, Rot und Grün. Weiterhin senen wir als Symbole die Rose und Bâume wie der Ahornbaum in der Novelle `Im Sonnenschein` und der Lindenbaum in der Novelle `Im Saal`. Das Mondlicht und Vögel wie z.B. den blauen Augustf alter und den Iritsch können wir als weitere Symboltrâger aufzâhlen. Der Tod zeigt sich in verschiedenen Situationen, In `Marthe und Ihre Uhr` wird er mit dem Ticken der Uhr verdeutlicht, wahrend er in der Novelle `Posthuma` mit dem Wind symbolisiert wird. Als Zeichen seiner Bindung an die Tradition werden die Handlungs- figuren aus dem familiâren Bereich ausgewahlt. Die Vergangen- heitsatmosphâre wird durch das Vorhandensein von alten Möbel- stücken verstârkt zum Ausdruck gebracht.